Risiken und Nebenwirkungen

Kuscheln ist toll, macht Spaß und ist super harmlos. Aber nicht für jeden. In diesem Beitrag will ich ein wenig über die Risiken und Nebenwirkungen von Kuscheltherapie aufklären.

Kontraindikationen

Wann sollte man nicht zum Kuscheln gehen? Es gibt einerseits körperliche Hindernisse, die Hygiene und den nüchternen Zustand des Kunden betreffen. Das ist eh klar. Darüber hinaus sollte man als Kunde nicht zu sehr unter sexueller Spannung stehen. Wenn dies der Fall ist, kann man sich schwer auf absichtslose Berührung und nicht-sexuelles Kuscheln einlassen. Davor sollte man also in Erwägung ziehen, sich eine sexuelle Dienstleistung zu gönnen, bei welcher die erotische Spannung willkommen ist. Sonst hat man von unserem Kuschelservice einfach wenig, und unsere Kuschler müssen sich sehr anstrengen, die Energie vom Dopamin zum Oxytocin umzulenken. Ob man selbst unter sexueller Spannung steht, findet man manchmal erst im Kontakt mit dem präferierten Geschlecht heraus.

Interessanter und auch wichtiger für uns Kuscheltherapeuten ist jedoch die geistige Verfassung. Hier gibt es einige Prädispositionen, die einen für den Kuschelservice ungeeignet machen. Erstens wäre das zum Beispiel das Phänomen der Schizophrenie. Hier kann der Mensch manchmal nicht mehr unterscheiden, was zu ihm gehört und was zum Anderen. Beim Kuscheln würde die Grenze zum Ich massiv überschritten werden, was wiederum zu einer heftigen Abwehrreaktion führen kann. (Dies gilt übrigens für alle Symptome, die einen Realitätsverlust beinhalten.) Ist man medikamentös gut eingestellt und alles mit dem Therapeuten abgesprochen, ist das Kuscheln jedoch nicht gefährlich.

Zweitens sind psychische Persönlichkeitsstörungen wie Borderline oder Narzissmus zu erwähnen. Diesen Menschen würde es extrem schwer fallen, sich nicht in eine Abhängigkeitsbeziehung mit dem Kuschler zu begeben. Jede Grenzensetzung von seiten des Kuschlers wäre eine persönliche Kränkung und würde zu emotionalen Gegenreaktionen führen.

Drittens ist der allgemeine geistige Zustand und die Intelligenz zu erwähnen. Bin ich in der Lage, das Kuscheln als Dienstleistung wahrzunehmen? Eine Verwechslung und Vermischung der Ebenen ist leider sehr wahrscheinlich, wenn die kognitiven Fähigkeiten nicht mehr die Metaebene erreichen, die nötig ist, den Kuschler zwar als Verbündeten, nicht aber als private Bekanntschaft wahrzunehmen. Viele Umstände können dazu führen, dass diese Leistung nicht mehr möglich sein. Es kann zum Beispiel sein, dass man durch eine massive Vereinsamung die Realität nicht mehr wahrnehmen kann und will. Anzeichen dafür sind ausführliche Fantasien über ein gemeinsames Zusammenleben mit fiktiven oder realen Menschen, oder eben mit dem Kuschler. Die Fantasie, dass es eine emotionale Gegenseitigkeit gibt, will ich hier besonders herausstreichen.

Wenn wir Kuschler Anzeichen von diesen Zuständen bemerken, sprechen wir diese sofort an und brechen das Dienstleistungsverhältnis ab. Das psychische Wohlergehen unserer Kunden geht immer vor, selbst wenn diese unbedingt weiterkuscheln wollen.

Mögliche negative Auswirkungen

Einerseits haben wir die Wirkungen von den soeben beschriebenen Zuständen, wenn entgegen unserer Empfehlung gekuschelt wird. Konkret ausformuliert: Die Reaktionen sind so, dass es überwältigende negative Enotionen gegenüber dem Kuschler gibt. Hass, Wut, Beleidigung, Schmerz (Verlust, Trennung), enttäuschte Besitzansprüche, Eifersucht, Neid, Selbsthass, Verzweiflung usw. Also alle Gefühle, die auch nach einer enttäuschten Beziehung auftauchen können.

Betrachten wir aber auch andere Nebenwirkungen, die nach einer durchwegs positiven Kuschelerfahrung im Rahmen unserer Regeln als Dienstleistung auftauchen können. Hier wird es psychologisch und therapeutisch. Was Kunden immer wieder beschreiben, ist ein tiefes Loch, in das sie gefühlt hineinfallen. Es fühlt sich einsam, kalt, traurig an. Hier ist zu sagen, dass sich nach dem Kuscheln natürlich kein Loch auftut. Vielmehr kriecht man zurück in das Loch, in dem man schon vorher gelebt hat, das einem aber nie als solches erschienen ist. Man gewöhnt sich nun mal an alles. Erlebt man dann aber zum ersten Mal echte Nähe und Zuneigung, kommt einem das bisherige Leben noch trauriger vor. Leider (oder Gottseidank?) verhält es sich hier wie mit Zahnpasta und Tube. Einmal draußen, gibt es kein Zurück mehr. Die Erfahrung kann man nicht ungeschehen machen.

Im isolierten Zustand verdrängt man Gefühle, das ist ein ganz normaler Selbstschutz. Beim Kuscheln bröckelt die Mauer zwischen mir und meinen Gefühlen. Es kommt leicht zu einer Überflutung. Man sitzt danach in seinem gewohnten Sessel in der eigenen Wohnung und kommt sich vor wie ein Außerirdischer auf einem fremden Planeten.

Die gute Nachricht: Dieser Zustand ist der erste Schritt in die richtige Richtung! Das eigene Elend wahrzunehmen ist die Voraussetzung dafür, etwas daran zu verändern. Die eigenen Gefühle wahrzunehmen ist die Voraussetzung dafür, sie ausdrücken zu können. Und der Gefühlsausdruck ist der einzige Weg, die Einsamkeit und Isolation zu durchbrechen.

Es handelt sich hier also um die klassische Erstverschlechterung, die jeden therapeutischen Prozess einleitet. Es wäre also spätestens jetzt an der Zeit, sich therapeutische Hilfe zum Kuscheln dazuzuholen. Denn das Kuscheln ist die reine Praxis, die Integration und Verarbeitung wird am besten mit einem Therapeuten auf theoretischer Ebene erledigt.

Das Risiko beim Kuschsln ist also das gleiche wie der mögliche Gewinn, nämlich die Erfahrung einer tiefen Verbindung. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht. Besonders Männer haben Probleme damit, intensive Gefühle zu handhaben. Wir empfehlen hier einfach durchzuatmen, Gefühle zuzulassen und die nächste Kuschelstunde zu vereinbaren. Denn mit der regelmäßigen Wiederholung der Erfahrung kalibriert sich der Körper neu zusammen mit der Seele. Man gewöhnt sich dran, banal ausgedrückt. Und was ein gut durchkuschelter Mensch alles erreichen kann, wisst ihr sicher aus allen anderen Blogbeiträgen und aus den Interviews.

 

Es gibt also durchaus Menschen, die nicht von unserem Kuschelservice profitieren können. Die Nebenwirkungen für alle anderen Menschen sind jedoch durchweg positiv, selbst wenn sie im ersten Moment negativ erscheinen.

 

2 Replies to “Risiken und Nebenwirkungen”

  1. Gut, dass hier auch mal die Nebenwirkungen beschrieben werden. Ich war 2006 in einer Klinik im Allgäu, die mit bonding Therapie gearbeitet hat. Da habe ich genau diese Nebenwirkungen verspürt. Im Laufe der Wochen kamen aber meine tiefen Traumata ans Licht und ich habe dann mit der Verarbeitung beginnen können. Es war ein sehr langer, lohnenswerter Weg.
    Was auch noch auftreten kann sind dissoziative Störungen, die ich erlebt hatte, ein Herausgehen aus dem Körper, man kann auch von zu guten Erfahrungen so geflasht werden, dass man abdriftet. Ich bin trotzdem weiter auf bonding workshops mit Therapeuten der Klinik gegangen, die mir immer sehr geholfen haben. Dann hatte ich einen Kuscheltherapeuten hier in Duisburg, der aber mit 52 an Lungenkrebs verstorben ist vor einigen Jahren. Jetzt habe ich im letzten Jahr einen Analytiker kennengelernt, der auch Körpertherrapie integriert und das ist echt der Hammer.
    Er hat es nicht leicht in seiner Analytikergesellschaft, aber er gibt nicht auf. Diese Therapieform hat mir sehr weitergeholfen.
    Das Kuscheln ist ein sehr wichtiger Baustein, besonders weil man sich durch die vereinbarten Regeln sicher fühlen kann.
    Eine Buchempfehlung hab ich noch: The little book of hugs von Raymond Glynne, ein kleines Bilderbuch vom Kuscheln im Tierreich mit sehr schönen Fotos und kurzen Texten.

    1. An Körpertherapie ist noch die Biodynamik zu empfehlen und Tilman Moser arbeitet auch immer noch. Der ist ziemlich berühmt.

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