Immer wieder werde ich gefragt, ob denn „auch Frauen zum Kuscheln kommen“. Die Frage an sich ist schon etwas seltsam, denn natürlich kann man sich auch als Frau in Situationen befinden, in denen man an Kuschelmangel leidet. Warum gehen wohl so viele Frauen zum Wellness? Wahrscheinlich eher nicht vorrangig, um gut auszusehen. Sondern weil es hier absichtslose Berührung von sonst sehr vernachlässigten Körperteilen gibt. (Gesicht, Füße und Hände) ZDF hat dazu mal eine Umfrage gestartet.
In diesem Beitrag geht es jedoch nicht darum, sondern um einen anderen Grund, warum Frauen häufig zum professionellen Kuscheln kommen. Erschreckenderweise gibt es dafür vor allem einen Hauptgrund: Sexueller Mißbrauch in unterschiedlichsten Formen und die daraus resultierende allgemeine Angst vor Männern. Beschäftigt man sich näher mit Statistiken, so sieht es allein in Wien nicht gut aus: Drei Viertel aller Frauen wurden schon einmal sexuell belästigt und ein Drittel wurde vergewaltigt/mißbraucht. (Studie zum Beispiel hier.) Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass man pro Tag mindestens einmal in der UBahn neben einer Frau sitzt, die panische Angst oder wenigstens tiefe Abneigung gegen Männer empfindet.
Dass dies ein unerträglicher Dauerzustand ist, versteht sich von selbst. Sobald man zum Beispiel im beruflichen Kontext mit Männern zu tun hat, kann man sich nicht auf die Arbeit konzentrieren, sondern kann dem Gegenüber nicht einmal in die Augen sehen. Jede Berührung triggert das alte oder immer noch gegenwärtige Mißbrauchserlebnis. Meistens ziehen sich die betroffenen Frauen völlig zurück und vereinsamen, werden depressiv.
Von einer ganz normalen romantischen Beziehung ganz zu schweigen. Viele haben die Hoffnung auf ein normales Leben mit einer liebevollen Beziehung ganz aufgegeben.
Aber es gibt Lösungen. Erstaunlicherweise ist eine mögliche Lösung für dieses Trauma tatsächlich Berührung. Wenn man sich in das Thema vertieft, wird der Zusammenhang immer logischer: Die häßliche, gewalttätige Berührung kann nur durch rücksichtsvolle, liebevolle und absichtslose Berührung „überschrieben“ werden. Egal wie viel man über das Erlebte redet, der Körper erinnert sich immer noch an die alte Wunde. Diese wird so lange gespeichert, bis es zu einer neuen, angenehmen Erfahrung kommt. Der Körper hat nämlich sein eigenes Gedächtnis und seine eigenen Reaktionen, die unabhängig vom Verstand arbeiten. Auch wenn ich hier selbst nicht aus Erfahrung sprechen kann, wurde mir jedoch von direkt Betroffenen berichtet, dass Berührung in einem sicheren Kontext heilsam ist.
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Ich würde zum Schluss gern auf die Ursachen für diesen desolaten Zustand zu sprechen kommen. Warum gibt es so viele mißbrauchte Frauen? Meiner Meinung nach liegt die Wurzel dazu immer noch in der unterschiedlichen Erziehung von Kindern. Mädchen wird eingebläut, dass sie sich vor dem unbekannten schwarzen Mann zu fürchten haben, und zu niemandem ins Auto steigen sollen. Dieses Konzept ist meiner Meinung nach völlig daneben. Anstatt Mädchen zu selbstbewußten, starken Frauen zu erziehen, wird ihnen einfach nur Angst vermittelt. Denn wann lernt man als Mädchen, wann man Nein sagen kann? Wie man die eigenen Grenzen wahrt? Wann man zuschlagen kann? Das wird alles im Konzept des „Fremden“ untergebracht, wenn überhaupt. Im Fall von Mißbrauch ist der Täter jedoch meistens jemand im direkten Umfeld. Wenn es nicht der Vater ist, dann ist es der Onkel, der Bruder, der Cousin oder sonst ein Verwandter. Oder es ist der Freund, der Ehemann.
Ein super Video zum Thema: „Pass auf“
Warum passiert das so häufig? Weil man als Frau immer nett sein muss. Weil man dem Mann immer einen Gefallen schuldig ist. Weil Sex als Gefälligkeit gehandelt wird, weil der Körper der Frau immer noch als Gegenstand angesehen wird. Ich werde häufig gefragt: „Hast du denn keine Angst? Wenn du mit Fremden kuschelst?“ Diese Frage zeigt deutlich, wie man als Frau zu sein hat: Ängstlich und hilflos. Nein, ich habe keine Angst vor fremden Männern. Ich habe keine Hemmungen Nein zu sagen, wenn mich jemand um einen Gefallen bittet, der mir nicht taugt. Ich habe keine Hemmungen jemanden weh zu tun, wenn er etwas tut was ich nicht will. Aber das war nicht immer so. Ich hatte schon häufig Sex, ohne es wirklich zu wollen. Und zwar mit meinem jeweiligen Freund. (!!) Erst mit der Zeit habe ich gelernt, dass ich das nicht tun muss. Niemand hat mir das beigebracht. Ich musste selbst draufkommen, dass ich nicht Sex haben muss, nur weil der andere es will, oder weil die Situation gerade günstig ist. Eine Wahrheit, die vielen Frauen ihr Leben lang unzugänglich bleibt. Dazu gibt es dieses wunderbare Video von BuzzFeed: „Them morning after“. Es zeigt genau das, was ich hier meine: Wir Frauen lernen nicht, Nein zu sagen, und Männer nehmen sich weiterhin das, was sie wollen. Emanzipation und Feminismus sind vergleichsweise sehr sehr junge Bewegungen, tradierte Sichtweisen und vor allem Handlungsweisen lassen sich nur allmählich auflösen.
Mit unserer Kuschel Kiste stehen wir auch für den feministischen Ansatz der Aufklärung: Dein Körper gehört dir, und du allein bestimmst, was damit passiert. Niemand sonst! (Das gilt natürlich für jeden Menschen.)
Wenn du Grenzüberschreitungen erfahren hast, die dir immer noch weh tun, helfen wir dir gerne dabei, die Wunden zu heilen.